Startseite / Fachthemen / Unternehmenssanierung / Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird verlängert
Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird verlängert
Inhaltsverzeichnis
ToggleZur Bewältigung der Krise geeignet?
KMU-Berater Klaus Ziegler kommentiert in seiner Pressemitteilung, warum die Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht ausreicht, um insolvenzgefährdete Unternehmen langfristig aus der Krise zu führen. Lesen Sie im folgenden Beitrag, welche Werkzeuge und Lösungen der Autor Unternehmen in der Krise an die Hand gibt.
Viele Unternehmen insolvenzgefährdet
Die Bundesregierung hat am 2. September 2020 die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängert: Die COVID-19-Pandemie ist noch nicht überwunden und viele Unternehmen sind aufgrund der Pandemie insolvenzgefährdet.
Staatliche Hilfsangebote
Um Unternehmen auch weiterhin die Möglichkeit zu geben, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren und zu finanzieren, soll die Insolvenzantragspflicht auch nach dem 30.09. zumindest bis zum Jahres Ende 2020 ausgesetzt werden können. Die weitere Aussetzung soll dabei noch für Unternehmen gelten, die pandemiebedingt überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind.
Warum ist dies der falsche Weg?
Weil er zahlreiche Unternehmen trotzdem in die Insolvenz führen
wird, nur eben zu einem späteren Zeitpunkt. Ein Unternehmen, das
zwar überschuldet, aber noch zahlungsfähig ist, wird häufig
zwangsweise über kurz oder lang in eine Zahlungsunfähigkeit
rutschen.
Fremdkapitalgeber bei Überschuldung
Überschuldung bedeutet nichts Anderes, als dass das Eigenkapital der Gesellschaft bereits aufgezehrt ist und die Finanzierung des Unternehmens ausschließlich über Fremdkapital erfolgt. Nun gibt es dabei zwei Arten von Fremdkapitalgebern: die einen, die wissen, dass sie „Darlehen“ gewähren, wie Banken und Leasinggeber, und andere, denen es eben nicht bewusst ist, dass sie „Darlehensgeber“ sind. Das sind vornehmlich Lieferanten, Dienstleister und Arbeitnehmer des Unternehmens.
Solange das Unternehmen gesund, also nicht überschuldet oder zahlungsunfähig ist, findet diese „Darlehensgewährung“ im normalen Rahmen statt, nämlich innerhalb vereinbarter Zahlungsfristen.
Kritische Fragen vor Bankfinanzierung
Natürlich kann über ein Sanierungsgutachten versucht werden, nochmals eine Finanzierung über die Bank zu erreichen. Allerdings stellen sich dabei folgende Fragen:
- Ist die Krise nicht nur pandemiebedingt, sondern auch aufgrund bereits vorhandener struktureller und strategischer Probleme eingetreten?
- Können die Darlehen auch zu einem späteren Zeitpunkt durch eine entsprechende Ertragskraft und einen ausreichenden Cash-Flow zurückgeführt werden?
- Oder wird es auf Basis des nun vorliegenden Gesetzesentwurfes zum StaRUG ab Januar 2021 weitere Sanierungsmöglichkeiten außerhalb eines Insolvenzverfahrens geben?
Wobei es sich bei dem StaRUG (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsrecht) schlussendlich auch um ein Gesetz im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens handeln wird.
Wenn die Bank die Finanzierung verweigert
Sofern nun die Bank eine Finanzierung verweigert, wird sich das Unternehmen diese Finanzierung woanders besorgen müssen, eben meist dann genau bei den Lieferanten, Dienstleistern und Mitarbeitern.
Bei den Lieferanten und Dienstleistern durch Verlängerung der Zahlungsziele oder einfach durch „Nichtbezahlen der Rechnungen“. Bei den Arbeitnehmern zunächst durch Nichtbezahlen von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer. Denn das merkt der Arbeitnehmer erst einmal nicht. Irgendwann wird es möglicherweise auch zu einer verspäteten Zahlung des Arbeitsentgelts selbst kommen.
Unfreiwillige Geldgeber
Dies funktioniert solange, bis Lieferanten und Dienstleister weitere Lieferungen und Leistungen von der Bezahlung von Altrechnungen abhängig machen oder aber die Sozialversicherungsträger und/oder das Finanzamt Vollstreckungen gegen das überschuldete Unternehmen einleiten.
Die Unternehmen, die durch diese Phase der Überschuldung kommen und sich erholen, dürften wohl, eben auch angesichts der derzeit ungünstigeren und unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sehr handverlesen sein.
Mögliche Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Es entstehen sogenannte „Zombieunternehmen“ die künstlich am Leben gehalten werden. Damit kommt es auch volkswirtschaftlich zu bedrohlichen „Dominosteineffekten“. Es werden andere Unternehmen aufgrund von Zahlungsausfällen mit in „den Strudel“ gezogen und somit ebenfalls zu Krisenunternehmen. Die Arbeitslosenzahlen steigen und die Steuer- und Sozialversicherungsausfälle potenzieren sich.
Gefahr eines zu hohen Schadens
Der Insolvenzantrag muss schließlich doch gestellt werden. Allerdings ist nun wertvolle Zeit für die Restrukturierung des Unternehmens verstrichen. Nicht in wenigen Fällen ist es dann vermutlich zu spät. Auch die besten Sanierer und Insolvenzverwalter können keine Sanierung mehr durchführen, wenn der angerichtete Flurschaden schon zu hoch ist.
Alternative: Insolvenz in Eigenverwaltung
Eine Lösung, dieses Szenario zu vermeiden, hat der Gesetzgeber bereits geschaffen: Das seit 2012 geltende ESUG-Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, also die sogenannte „Insolvenz in Eigenverwaltung nach §270a/b InsO“.
Die Insolvenz in Eigenverwaltung hat gegenüber der jetzigen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht folgende Vorteile:
- Mit Antragstellung wird von dem einzusetzenden Sanierungsberater ausführlich geprüft, ob eine Sanierungsfähigkeit besteht – und ob das Unternehmen als sanierungswürdig eingestuft werden kann. Glücksritter“ werden somit von vornherein ausgeschlossen.
- Mit Bewilligung des Antrags auf Insolvenz in Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht greifen die Finanzierungsinstrumente der Eigenverwaltung, wie z. B. Insolvenzgeldfinanzierung (also praktisch die Subventionierung der Mitarbeiterkosten für drei Monate) oder das Umsatzsteuerprivileg (also die erlaubte Nichtzahlung der Umsatzsteuer) sowie andere „Insolvenzeffekte“. Eine Finanzierung durch die Bank oder gar der „Missbrauch von Lieferanten und Dienstleistern als Bank“ ist nicht notwendig, vor allem aber nicht mehr möglich. Dies schützt diese „unfreiwilligen Geldgeber“.
- In der Eigenverwaltung steht dem Unternehmen nunmehr der gesamte Sanierungswerkzeugkasten der Insolvenzordnung zur Verfügung. So können verlustbringende Verträge und Dauerschuldverhältnisse kurzfristig beendet werden, selbst bei sonst jahrelangen Restlaufzeiten. Der ggfs. notwendige Abbau von Mitarbeitern wird erleichtert, Sanierungsmaßnahmen können mit und unter Überwachung des eingesetzten Sanierungsberaters eingeleitet und durchgeführt werden.
- Das Verfahren wird, im Sinne der Gläubiger, durch einen vom Gericht bestellten Sachwalter überwacht und von einem Sanierungsprofi begleitet, was das Vertrauen der Gläubiger, Banken und Mitarbeiter deutlich verbessert.
- Und trotz Insolvenzverfahren bleibt in der Eigenverwaltung die Geschäftsführung des Unternehmens im „driver seat“ Sie lenkt weiterhin die Geschicke des Unternehmens – natürlich innerhalb des von der Insolvenzordnung vorgegebenen Rahmen – durch die Krise. Das Unternehmen wird wirksam und nachhaltig saniert.
Fazit
Bei weiterer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht besteht die Gefahr, dass Unternehmen, die aufgrund mangelnder Optionen ihre Probleme lediglich in einer Art Bugwelle vor sich herschieben sich im Laufe der Zeit zu sogenannten „Zombieunternehmen“ entwickeln, die hohe volkswirtschaftliche Folgeschäden verursachen können. Dagegen stehen in der Insolvenz in Eigenverwaltung zur Krisenbewältigung und Sanierung deutlich bessere Werkzeuge zur Verfügung. Der Gesetzgeber hat hierfür genau deswegen das sogenannte ESUG (Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) geschaffen, das eine Insolvenz in Eigenverwaltung – in der Öffentlichkeit auch häufig unter dem Begriff des Schutzschirmverfahrens bekannt – nach § 270a/b InsO“ rechtlich vorsieht und ermöglicht.