Startseite / Fachthemen / Unternehmensfinanzierung / Eigenkapitalpolitik – Zukunftsthema für Unternehmen
Eigenkapitalpolitik – Zukunftsthema für Unternehmen
Inhaltsverzeichnis
ToggleEigenkapitalpolitik als Zukunftsthema für Unternehmen – warum? Jedes Unternehmen hat Eigenkapital. Doch viele Unternehmen haben keine Eigenkapitalpolitik. Das heißt: Die Unternehmen steuern Höhe und/oder Struktur ihres Eigenkapitals nicht gezielt.
Damit verschenken Unternehmen oft geschäftliche Vorteile. Denn viele Geschäftspartner schauen durchaus auf das Eigenkapital wie z.B. Lieferanten, Kunden, Banken und Finanzierungspartner. Lesen Sie in diesem Beitrag, warum Unternehmen sich mit ihrem Eigenkapital beschäftigen und worauf sie dabei achten sollten.
Eigenkapitalpolitik: So unterschiedlich kann der Blickwinkel sein
Bei Unternehmerinnen und Unternehmern erlebe ich als Berater zwei Sichtweisen auf das Eigenkapital:
- Ich begrenze mein Eigenkapital und damit meine Haftung, dann kann ich im Falle des Falles nicht so viel verlieren. Hinweis meinerseits: Dieser Blick ist oft bei Unternehmen in der Rechtsform der GmbH anzutreffen.
- Ich statte mein Unternehmen mit möglichst viel Eigenkapital aus, damit habe ich für alle Fälle vorgesorgt und kann ruhig schlafen. Hinweis meinerseits: Dieser Blick ist bei Unternehmen in allen Rechtsformen anzutreffen.
Eigenkapitalpolitik: Die zwei Aufgaben sehen und nutzen
Eigenkapital hat zwei grundsätzliche Aufgaben:
- Eigenkapital als Risikopuffer: Das vorhandene Eigenkapital ist der Risikopuffer, wenn ein Unternehmen Verluste macht. Verluste werden vom Eigenkapital abgezogen. Daher sollte das Eigenkapital mit Blick auf potenzielle Risiken hoch genug sein.
Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften kommt hinzu: Wenn der Jahresüberschuss die Entnahmen des Jahres nicht mehr decken kann, reduziert sich das Eigenkapital um diese Unterdeckung. - Eigenkapital als Finanzierung: Je mehr Eigenkapital dem Unternehmen zur Verfügung steht, desto weniger Fremdkapital benötigt es zur Finanzierung seiner Geschäfte, desto unabhängiger ist es von externen Geldgebern.
Viele Unternehmen achten nur auf die Funktion Risikopuffer und haben dabei im Blick, ihre eigene Haftung zu begrenzen. Das ist einerseits legitim. Andererseits wird das viele Geschäftspartner nicht erfreuen. Denn diese Geschäftspartner gehen als Lieferanten, Kunden oder Finanzierer Risiken ein: ausstehende Forderungen, Nicht-Erfüllung des Auftrages etc. Und deshalb schauen Geschäftspartner auch auf das Eigenkapital.
Aber auch für das Unternehmen selbst hat ein höheres Eigenkapital Vorteile: die Gewissheit, dass eventuell entstehende Risiken in dieser Höhe abgedeckt werden können. Ein Beispiel: Eine GmbH wurde vor zehn Jahren mit einem Stammkapital von € 25.000 gegründet; das Unternehmen hat sich erfolgreich entwickelt und erreicht mittlerweile einen Jahresumsatz von € 3.500.000; das Eigenkapital beträgt unverändert (nur) € 25.000 – eine sinnvolle Konstellation?
Eigenkapitalpolitik: Reicht der Risikopuffer aus?
Diese Frage lässt sich nur beantworten mit Blick auf die möglichen Risiken aus dem Geschäftsmodell des Unternehmens. Die Beratererfahrung zeigt, dass mit Blick in die Bilanz sehr oft die größten Risiken in den Positionen des Umlaufvermögens eines Unternehmens enthalten sind:
- Halbfertige und Fertige Arbeiten: Diese werden teilweise oder insgesamt in der Bilanz nicht realistisch, d.h. verlustfrei ausgewiesen.
- Warenbestände: Diese werden teilweise oder insgesamt in der Bilanz immer noch zum Einkaufspreis ausgewiesen, obwohl dieser mit realistischem Blick auf den Markt oder die Märkte nicht mehr zu erzielen sein wird; die also eigentlich erforderlichen Wertkorrekturen wurden nicht vorgenommen.
- Forderungen an Kunden: Auch längst überfällige Kundenforderungen werden noch mit dem vollen Betrag ausgewiesen, obwohl intern „eigentlich“ klar ist, dass dieser Betrag voraussichtlich nicht mehr in voller Höhe oder gar nicht mehr eingehen wird.
Dazu kommen häufig Risiken aus anderen Themen wie Abhängigkeit von wenigen Großkunden oder Regionen, Produkthaftung etc. bis hin zum nicht mehr zukunftsfähigen Geschäftsmodell. Eine komplette Übersicht zu unternehmerischen Risiken würde diesen Beitrag sprengen. Dass Sie als Geschäftsführer sogar eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Risikofrüherkennung haben, können Sie im Beitrag “Geschäftsführer aufgepasst: Gibt es eine Verpflichtung zur Risikobetrachtung?” nachlesen.
Eigenkapitalpolitik: Die Eigenkapitalquote zeigt die Richtung an
Wie viel Eigenkapital ein Unternehmen haben sollte, hängt also ab von
- der realistischen Einschätzung der vorhandenen Risiken und
- der Sichtweise auf das Eigenkapital (siehe oben).
Gradmesser und Vergleichsmaßstab ist eine eindeutige Kennzahl – die Eigenkapitalquote:
- Formel: Eigenkapital durch Bilanzsumme multipliziert mit 100.
- Aussage: Zu x Prozent ist das Unternehmen / die Bilanzsumme mit Eigenkapital finanziert.
Entscheidend ist natürlich: Wie ist das Ergebnis zu bewerten? Gibt es so etwas wie eine Mindest-Quote? Hierfür gibt es viele Überlegungen. Hinweise finden Sie z.B. in Branchenvergleichszahlen.
Kreditgeber formulieren meist ein Anspruchs-Niveau von 20%. Die Eigenkapitalquote spielt in allen Ratingverfahren zur Bewertung der Bonität eine wichtige Rolle. Kreditgeber berechnen die Eigenkapitalquote allerdings unterschiedlich: Es gibt Abzugspositionen und Darlehen der Gesellschafter an die GmbH sind in der Regel aus Bankensicht kein Eigenkapital. Sprechen Sie mit Ihren Kreditgebern darüber, wie diese die Eigenkapitalquote berechnen. Mehr zur Sicht von Kreditgebern auf das Eigenkapital lesen Sie im Kapitel 4 zur Analyse von Jahresabschlüssen im Buch des Autors „Mit Kreditgebern auf Augenhöhe verhandeln“.
Der pragmatische Blickwinkel der Kreditgeber
Neben der Bewertung der Eigenkapitalquote machen Kreditgeber eine einfache Rechnung auf, die auch für Unternehmerinnen und Unternehmen passt – siehe die folgenden Stichworte:
- die Risiken eines Unternehmens liegen meistens vor allem im Umlaufvermögen (siehe oben);
Beispiel: Die Risiken werden geschätzt bei 10% des gesamten Umlaufvermögens, dann ergibt sich eine Risiko-Betrag von „x Euro“; - diesem Betrag „x“ wird das vorhandene Eigenkapital gegenüber gestellt: Wenn das Eigenkapital (deutlich) höher ist als „x“ ergibt das eine positive Bewertung;
- wenn allerdings gelten sollte: Eigenkapital kleiner „x“ – dann ist die Bonität dieses Unternehmens nicht mehr gegeben: Sollten die geschätzten Risiken schlagend werden, wäre das Unternehmen bilanziell überschuldet und müsste einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung prüfen.
Stellen Sie diese Rechnung einmal für Ihr eigenes Unternehmen an: Wo landen Sie? Und was wäre, wenn Sie nicht von 10 %, sondern von 20% Risiko im Umlaufvermögen ausgehen?
Oder setzen Sie aus Ihrer Einschätzung einen anderen Risiko-Euro-Betrag an und vergleichen diesen mit dem Eigenkapital in Ihrem Unternehmen. Wie steht es um Ihren gesunden Unternehmerinnen- und Unternehmerschlaf?
Entwickeln Sie eine Eigenkapitalpolitik
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen: Wie sieht Ihre Eigenkapitalpolitik für die kommenden Jahre aus? Denken Sie dabei unter anderem an die folgenden Aspekte:
- Ihre Ziele und Pläne mit Ihrem Unternehmen für die kommenden Jahre.
- Die globale aktuelle Situation nach zwei Corona-Jahren und jetzt mit dem Krieg in der Ukraine, dem Systemwettbewerb China – westliche Welt: Die Unwägbarkeiten nehmen offensichtlich zu, also auch die latenten oder versteckten Risiken.
- Ihre eigene Sichtweise und die Sichtweisen Ihrer Geschäftspartner wie Kreditgeber, Großkunden (auch neue), Lieferanten (auch neue).
- . . .
Was bedeuten diese Aspekte für eine auskömmliche Eigenkapitalausstattung Ihres Unternehmens heute und morgen?
Autor: KMU-Berater Carl-Dietrich Sander, Mitglied der Fachgruppe Finanzierung-Rating