Vertrieb im Mittelstand: Wie viel Technik?

Qualität von Innovationsberatungen
Der Einsatz von Tablets und Notebooks in Verkaufs- und Beratungsgesprächen nimmt zu. Ist das aber wirklich immer ein kunden-orientierter Ansatz?

Mit dieser Frage beschäftigen sich die "Monatlichen Praxistipps 01-2016" mit Blick auf den Vertrieb von Banken und Sparkassen. Die hier aufgeworfenen Fragestellungen sind aber nicht nur für Kreditinstitute von Bedeutung – sondern lassen sich auf alle anderen Branchen übertragen.
Also stellt sich die Frage: Wie ist in Ihrem Unternehmen der "passende" Einsatz von Technik in Verkaufs- und Beratungsgesprächen zu gestalten?
Wir veröffentlichen den Beitrag an dieser Stelle und danken der Redaktion für die freundliche Genehmigung.

Laptops und Tablets verkaufen nichts.

Theoretisch ist vieles richtig, dass in der Praxis Heulen und Zähneknirschen verursacht. Oft wird auch das, was nicht wirklich funktioniert, mit „Gewalt“ eingeführt. Wenn es dann nicht funktioniert, hat man sich schon fast daran gewöhnt und man nimmt es still und leise aus dem Focus. Es gibt ein paar Fehler, die werden tendenziell immer wieder wiederholt.
 
Standardisierung
Richtig und falsch. Wenn oberste Priorität „Kundenorientierung“ ist, dann sollte man Kunden nicht in standardisierte Beratungsprozesse „zwingen“. Stellen Sie sich vor, Sie gehen an die Wursttheke im Su-permarkt und bestellen 200 Gramm Fleischwurst. Fachverkäuferin: „Gerne, aber bevor Sie die Wurst bekommen, muss ich von Ihnen wissen, was Sie sonst so alles in Ihrem Warenkorb haben, wie Ihre Essgewohnheiten sind und wie Ihr Gesundheitszustand ist. Wenn Sie bitte Platz nehmen, ich habe ein paar Fragen und es dauert nur 20 Minuten." Das ist oft das, was in der Finanzdienstleistung als Ziel ausgeru-fen wird. Warum hat Amazon mit dem „1-Click-Kauf“ so viel Erfolg? Weil viele Menschen den einfachen und schnellen Weg lieben.
 
Lineare Beratungsprogramme
Falsch. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie bei einer Beratung merken, dass Sie in einen linearen Prozess „gezwungen“ werden? Wie geht es Ihnen, wenn das Gespräch nach Schema A, B, C, D, E… verläuft? Kennen Sie das auch, dass Sie dann gerne schon mal zu K, L, M… wechseln? Nur wenige lassen sich gerne in ein starres Beratungskonzept zwingen, wo man Fragen beantwortet und das Gespräch eher einem Verhör ähnelt. Ganz schlimm ist es, wenn der Kunde noch nicht mal den Bildschirm des Beraters sehen darf. MUSS ist Zwang, gegen jede Motivation und absolut contra-produktiv.
 
Rundum-Beratung
Richtig und falsch. Wenn z.B. der Durchschnittskunde sechs Verträge bei drei Finanzanbietern hat, also jeder Anbieter zwei Verträge pro Kunde, dann ist die Rundum-Beratung beim ersten Gespräch ein zu großer Schritt. Das Ziel, mehr Verträge pro Kunde zu haben, ist richtig, aber am liebsten alles und sofort, ist oft falsch. In kleinen Schritten, in mehreren Gesprächen und kundengerecht ist möglicherweise der erfolgversprechendere Weg.
 
Digital oder Haptisch
Vollkommen falsch. Die Sparkassen setzen die Haptischen Pyramiden ein, um bei den Beratern und bei den Kunden den Finanzcheck zu erinnern, zu begleiten und unvergesslich zu machen. Die Haptische Verkaufshilfe unterstützt den digitalen Beratungsprozess. Wenn Sie eine Haptische Verkaufshilfe aus fünf Teilen auf den Tisch legen, dann weiß der Kunde sofort, dass es um fünf Themen geht. Wenn Sie den PC nutzen, weiß der Kunde nicht, wie viele Themen kommen. Das führt dazu, dass er innerlich vorsichtig und zurückhaltend wird.
 
Mensch und/oder Software
Was nützt die beste Software, wenn der Verkäufer unzureichend qualifiziert ist, zum Beispiel in der Ansprache und im Umgang mit älteren Kunden. In vielen Unternehmen wird viel Geld in Software inves-tiert und gleichzeitig werden die Budgets für Aus- und Weiterbildung zusammengestrichen. Beziehung, Vertrauen, Loyalität, Bindung entsteht zum Verkäufer, nicht zur Software. Wenn die emotionale Bindung verloren geht, geht der Kunde verloren.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, dies ist kein Plädoyer gegen Digitalisierung und Rundum-Beratung. Wie so oft, ist die Frage nicht entweder/oder sondern wie kann ich beiden nutzen, damit ich mein Ziel erreiche. PC, Laptop oder Tablet unterstützen den Verkaufsprozess, partiell, intelligent und interaktiv. Die Technik als Hilfsmittel soll die Kommunikation bereichern, nicht bestimmen oder erset-zen.

Zitat des Monats

„Das Gefährlichste an der Technik ist, dass sie ablenkt von dem, was den Menschen wirklich ausmacht, von dem, was er wirklich braucht.“ (Elias Canetti, 1905-94, Schriftsteller, 1981 Nobelpreis für Literatur)   
Quelle: "erfolgreicher Führen & Verkaufen in der Zweigstelle" – Monatliche Praxistipps für Filialleiter, Kundenberater und Führungskräfte von Banken und Sparkassen – Ausgabe 01-2016
Nafa Verlags GmbH, Schlossstr. 18, 53773 Hennef (Sieg); Geschäftsführer: Helmut Muthers, Tel: 02242-9158752, Mail: office@bankentipps.com, www.bankentipps.com