Fördermittel werden „zum Glücksspiel“

Fördermittel
Der Staat will Innovationen und Digitalisierung beim Mittelstand vorantreiben. Doch scheitern KMU oft an den Herausforderungen des "Förder-Dschungels".

Der Staat will Innovationen und Digitalisierung beim Mittelstand vorantreiben. Doch laut Katja Theunissen, Leiterin der Fachgruppe Fördermittelberatung beim Verband „Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e.V.“, scheitern KMU oft an den Herausforderungen des „Förder-Dschungels“.

Frau Theunissen, zunächst zu Corona: Die speziellen Fördermittel von Bund und Ländern sind nun seit mehreren Wochen „am Markt“ – welches Fazit ziehen Sie bis dato?

Katja Theunissen: Ziel war und ist es, möglichst vielen Unternehmen in der Krise zu helfen. Dass es dabei manchmal unausgegoren zuging, ist überwiegend der gebotenen Schnelligkeit geschuldet und verständlich. Angesichts der plötzlichen Freigiebigkeit der Ministerien und der Schnelligkeit in der Freischaltung der Maßnahmen hat sich mancher Beobachter, wie auch ich, verwundert die Augen gerieben. Leider sind diese Hilfen zu einem unübersichtlichen Flickenteppich geworden. Die Voraussetzungen sind teilweise so kompliziert gestaltet, dass manche Unternehmen und vor allem Selbständige aus Angst vor möglichen Verwendungsfehlern darauf ganz verzichtet haben. Damit setzt sich eine ungute Entwicklung fort, die lange vor Corona begonnen hat.

Was meinen Sie damit?

Katja Theunissen: Schon seit vielen Jahren kennt man den Begriff des „Fördermittel-Dschungels“. In der jüngeren Vergangenheit ist zu beobachten, dass dieser Begriff immer mehr zutrifft.

Haben Sie ein Beispiel für diesen „Dschungel“?

Katja Theunissen: Immer wieder werde ich von Unternehmen angesprochen, dass es doch sicherlich Zuschüsse für Digitalisierungsvorhaben gebe. Ja, es gibt sie auch – sie sind aber von Bundesland zu Bundesland leider sehr unterschiedlich gestaltet. Während etwa in Hessen und Bayern Anschaffungen in Hard- und Software bezuschusst werden, sind es andernorts Digitalisierungsprojekte, also eher Dienstleistungen.

Hinzu kommen die unübersichtlichen Bedingungen: In Hessen gibt es beispielsweise drei feste Stichtage im Jahr, an denen man sich registrieren muss. Den richtigen Zeitpunkt für sein Projekt zu erwischen, das doch eher auf strategischen und betriebswirtschaftlich richtigen Entscheidungen basieren sollte, wird zum Glücksspiel.

Es ließe sich einwenden: Wer öffentliche Gelder erhält, sollte dafür auch einen gewissen Einsatz zeigen…

Katja Theunissen: Ein kleineres Unternehmen mit 30 oder 50 Mitarbeitern wird kaum die Ressourcen haben, kontinuierlich den Fördermittelsektor zu durchforsten. Sinn und Zweck ist es doch gerade, KMUs zu unterstützen. Wäre es dann nicht auch sinnvoll, Förderbedingungen verlässlich, leicht verständlich und gut zugänglich zu gestalten?

Aktuell besonders hinderlich ist nach Erfahrung der Fachgruppe Fördermittelberatung des Bundesverbandes Die KMU-Berater das Update der bundesweiten offiziellen Förderdatenbank: Seit dem Umbau ist sie nicht nur erheblich unübersichtlicher geworden, sie ist auch extrem lücken- und fehlerhaft.

Wo bekommen Unternehmen denn Hilfe, um sich im „Dickicht“ zurecht zu finden und Fristen nicht zu verpassen?

Katja Theunissen: Eine Anlaufstelle für Informationen sollten grundsätzlich die kommunalen Wirtschaftsförderungen sein. Viele davon machen auch einen guten Job und weisen auf passende Programme und Möglichkeiten hin. Aber oft ist auch die Wirtschaftsförderung personell nicht so stark besetzt, dass sie in der Förderlandschaft den Überblick behalten könnte.

Bleibt also mehr Arbeit für die professionellen Berater…

Katja Theunissen: Zugegeben: im Grunde fördert die Unübersichtlichkeit der Fördermittellandschaft die Beschäftigung spezialisierter Berater. Aber wenn gute Ideen nicht in die Umsetzung gelangen, weil der passende Topf nicht zur rechten Zeit zur Verfügung steht, ist es einfach bedauerlich.

Noch schwieriger ist es, wenn man den Unternehmen gegenüber keine seriösen Aussagen zu Realisierungs- und Erfolgswahrscheinlichkeiten machen kann. Mir ist ein Projekt bekannt, das vor zirka zwei Jahren die eigentlich entscheidende Hürde der Bewilligung genommen hat, aber aufgrund von ständigen Nachforderungen und Verzögerungen seitens der Zuwendungsstelle jetzt erst starten kann. Wie soll ein Unternehmen da seine Kapazitäten und Finanzen planen?

Gibt es überhaupt kontinuierlich verfügbare und gut zugängliche Programme?

Katja Theunissen: Einige positive Beispiele sind INVEST, KMU-Innovativ, ZIM, BAFA sowie Go Inno und Go Digital. Gerade diese Beispiele zeigen, dass es auch anders geht. Aufgrund der bundesweiten Relevanz stammen die Beispiele vom BMWi und BMBF.

In den Bundesländern gibt es natürlich auch gute und längerfristig kontinuierlich bewirtschaftete Förderprogramme, aber was nützt einem Hessen das tolle Förderprogramm in Berlin oder Niedersachsen? Dass regionale Differenzierungen manchmal sinnvoll sind, ist aber nicht zu bestreiten. So ist beispielsweise an die Stelle der höheren Quoten für die ostdeutschen Bundesländer inzwischen eine Unterstützung von strukturschwachen Regionen – egal ob in Ost oder West – getreten.

Katja Theunissen
KMU-Beraterin
Katja Theunissen