Kritik vom “Gründerpapst”: Alles Start-ups, oder was?

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Klassische Gründungen erwirtschaften den größten Teil des Bruttosozialprodukts, finden allerdings zu wenig Beachtung.

Kauf, Nachfolge, Franchising – “klassische” Gründungen finden zu wenig Beachtung. Um daran etwas zu ändern, hat der Sachbuchautor und Unternehmensberater Dr. Uwe Kirst gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen die Fachgruppe “Unternehmensgründung” im Verband “Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e.V.” ins Leben gerufen.

Wenig Beachtung für klassische Gründungen

Da die hippste Form der Gründung zum Mega-Thema avanciert ist, kann der Eindruck entstehen, dass Deutschland über Nacht ein Start-up-Land geworden ist. Das aber wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht: „Handwerksbetriebe, kleine bis mittelgroße Fertigungen oder von Freiberuflern erbrachte Dienstleistungen mögen auf den ersten Blick nicht so ,sexy’ sein“, sagt Dr. Uwe Kirst. „Doch sie erwirtschaften noch immer den weitaus größten Teil des Bruttosozialprodukts und stellen die meisten Arbeitsplätze. Das wird auf lange Sicht auch so bleiben.“

Traditionelle Gründungen haben es schwer

Der als „Gründerpapst“ bekannte Unternehmensberater und Sachbuchautor (die 8. aktualisierte und ergänzte Auflage des von ihm herausgegebenen Standardwerks „Selbstständig mit Erfolg“ ist kürzlich erschienen) streitet seit Jahren für die Sache von „klassischen“ Gründerinnen und Gründern.

Dabei geht es ihm nicht etwa darum, Start-ups gegen andere Unternehmen auszuspielen. Ganz im Gegenteil: „Deutschland kann gar nicht genug innovative Gründungen haben.“ Zugleich weiß Dr. Kirst aus seiner langjährigen Berater-Erfahrung, dass es die traditionelleren Unternehmungsgründungen hierzulande nach wie vor schwer haben. „Ihnen fehlt mittlerweile schlichtweg die Lobby.“

Spektrum an Unternehmensgründungen

Um daran etwas zu ändern, hat der Unternehmer Kirst gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im oberbayerischen Freising die Fachgruppe „Unternehmensgründung“ im Verband „Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e.V.“ ins Leben gerufen und die Leitung des rund zehnköpfigen Gremiums übernommen. Der Gruppe geht es nicht zuletzt um trennscharfe Begriffsdefinitionen. Oft würde alles unter dem Begriff „Existenzgründung“ in einen Topf geworfen. „Für den Aufbau eines Unternehmens gibt es eine Vielzahl von Motiven und Anlässen. Eine neue, wirtschaftliche Existenz ist nur eine Variante davon.“

Der Begriff „Unternehmensgründung“ wiederum steht für ein ganzes Spektrum. Auch bei den statistisch erfassten Gewerbeanmeldungen handelt es sich nicht nur um originäre Gründungen, sondern ebenfalls um Betriebsübernahmen (Kauf oder Nachfolge) oder Umwandlungen (z.B. Ausgliederung). „Es gibt unterschiedliche Spielarten, so die gesellschaftspolitisch wichtige Nachfolge, ebenso wie Franchising oder tätige Beteiligung“, sagt der Ökonom. Und natürlich gehören die Start-ups dazu. „Sie sind allerdings ein Segment, kein Synonym für alles – und schon gar keine Zauberlösung gegen eine Stagnation bestehender Strukturen.“

Verschiedene Erschwernisse für Gründer in Deutschland

Laut Statistischem Bundesamt (destatis.de) stieg die Gesamtzahl der Gewerbeanmeldungen im 1. Quartal 2019 auf rund 192.000. Das entspricht einem Plus von 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. „Auch wenn die nackten Zahlen ein Wachstum erkennen lassen, ist Gründen in Deutschland nach wie vor alles andere als ein Zuckerschlecken.“ Rechtliche, steuerliche und finanzielle Erschwernisse sind die Hauptprobleme. „Überdies ist die Akzeptanz von Unternehmern hierzulande nicht besonders ausgeprägt: Neid und Missgunst finden sich überall“, findet Kirst.

„Obendrein dominieren beim Selbergründen, vor allem im Vergleich zum vermeintlich sicheren Angestelltenverhältnis – vom Beamtenstatus ganz zu schweigen -, allgemein Angst und Vorbehalte.“ Dabei lassen sich Risiken durchaus minimieren: „So ist die Gründung im Nebenerwerb zu einer wichtigen Vorstufe der Selbstständigkeit geworden“, nennt Dr. Kirst ein Beispiel für unternehmerisches Hineintasten in den Markt.