Turn Around: Wie Existenzgründer noch die Kurve kriegen

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Gut geplant ist noch nicht gut gemeistert. Auch der beste Businessplan muss konsequent umgesetzt werden. Und dabei steckt der Teufel meistens im Detail.

Beispiel Handwerk

KMU-Beraterin Bettina Schwarz hat in einem Interview auf  www.existenzgruender-jungunternehmer.de einen klassischen Fall aus dem Handwerk geschildert.

Euphorischer Start

Viele Existenzgründer starten euphorisch in die Selbstständigkeit – und merken dann, dass es alles andere als rund läuft: Die Finanzierung ist nicht gut aufgestellt, der Kontokorrent-Rahmen ist am Limit. Die Bank will den Finanzierungsrahmen nicht anpassen und die Kontokorrentzinsen sind mit über 10 Prozent eine starke Liquiditätsbelastung. Der finanzielle Engpass wird größer.

Finanzielle Schwierigkeiten

Was können Jungunternehmer machen, wenn sie in solchen finanziellen Schwierigkeiten stecken? Wir sprachen mit Bettina Schwarz über das Thema „Turn Around – Wie man noch die Kurve kriegt“.

Bettina Schwarz ist langjährige KMU-Fachberaterin für Existenzgründung und Unternehmensnachfolge aus Bad Mergentheim und spezialisiert auf Turn-Around-Beratung. 

Sie haben über zehn Jahre Erfahrung mit Turn Around-Beratungen. Wann klopfen krisengebeutelte Jungunternehmer bei Ihnen an?

Bettina Schwarz: Wenn ein junges Unternehmen in die Schieflage gerät, dann meistens innerhalb der ersten drei Jahre. Viele Gründer denken sich: „Jetzt habe ich meinen Businessplan geschrieben, habe einen Kredit bekommen und den Rest regele ich alleine. Das wird schon gut gehen.“ Aber leider machen Jungunternehmer gerade in der Anfangszeit häufig Fehler, die ihnen teuer zu stehen kommen. Die Naivität führt schnell in eine existenzielle Krise.

Was sind denn die klassischen Fehler, die Jungunternehmer in den ersten Jahren machen? Können Sie das an einem praktischen Beispiel erklären?

Bettina Schwarz: Zum Beispiel habe ich kürzlich einen Gründer aus dem Bereich Heizung-Sanitär beraten. Er hatte sich ausgemalt, dass er 20.000 Euro Umsatz pro Monat schafft. Ein erfahrener Kollege hatte ihm diese Zahl genannt und seine frühere Firma hatte ähnliche Umsätze.

Das Problem: Er hatte diese Kalkulation nicht mit genügend Fakten untermauert und seine Situation falsch eingeschätzt. Man hat zu Beginn nicht sofort einen Sack voller Aufträge, schließlich muss man erst einmal flächendeckend bekannt werden. Für das Marketing hatte er aber kein Geld. Dann war er bei seinen Kunden zu lange vor Ort und hatte die Arbeitszeit falsch berechnet. So schrumpfte sein magerer Verdienst weiter zusammen.

Wir ahnen wie es weitergeht… Aber erzählen Sie.

Bettina Schwarz: Die Bank erhöhte zunächst den Kontokorrent-Rahmen. Aber das änderte nichts an der grundsätzlichen Situation. Der Jungunternehmer rutschte immer weiter in die Krise. Denn er hatte natürlich ab dem ersten Gründungstag fixe Ausgaben, unter anderem für Investitionen, die Kredit-Tilgung und private Ausgaben. Das Kontokorrent – der Dispo für Selbstständige – war am absoluten Limit. Eigentlich ging nichts mehr. Schließlich kam er zu mir, um den Turnaround zu schaffen.

Das hört sich aber eher nach einer ausweglosen Lage an. Wie können Unternehmensberater da noch helfen?

Bettina Schwarz: Der Anfang ist ja bereits gemacht. Der Jungunternehmer weiß, dass es so nicht weitergeht, dass er grundsätzlich etwas ändern muss, und dass er professionelle Unterstützung braucht.

Zu Beginn analysieren wir gemeinsam die Situation: Wo liegen die Ursachen dafür, dass das Unternehmen in den roten Zahlen steht? Dazu wird eine sogenannte Schwachstellenanalyse erstellt.

Es werden aber auch Themen besprochen wie zum Beispiel: Ist es eine falsche Kalkulation oder vielleicht gar keine? Ist es die schlechte Auftragslage? Hat der Gründer seine Kosten nicht im Griff? Redet die Bank überhaupt noch mit ihm? Dann erarbeiten wir eine Strategie, wie wir das Unternehmen wieder auf eine solide Basis stellen.

Zum Beispiel?

Wenn man zum Beispiel das Thema „Auftragslage verbessern“ nimmt: Viele Jungunternehmer glauben, dass eine Visitenkarte, ein Flyer und ein Türschild reichen, um Kunden zu gewinnen. Außerdem sind viele davon überzeugt, dass persönliche Empfehlungen aus dem Kunden- und Freundeskreis ausreichen. Aber das reicht eben nicht!

Man muss strategischer an diese Frage herangehen: Was unterscheidet mich von meiner Konkurrenz? Wie ist die Marktsituation? Wie kann ich meine Zielgruppe gezielt erreichen? So schafft man die Basis dafür, dass man konstant neue Kunden bekommt.

Wie reagieren die Banken, wenn ein Jungunternehmer mit einem Unternehmensberater wie Ihnen auftaucht?

Bettina Schwarz: Die Banken reagieren in der Regel positiv. Sie sehen sofort, dass jetzt jemand mit Erfahrung mit im Boot sitzt. Keine Bank will auf den roten Zahlen sitzen bleiben. Natürlich muss man dann auch mit der Bank besprechen, dass der Berater noch bezahlt wird, obwohl der Jungunternehmer schon im Minus feststeckt. Aber professionelle Hilfe gibt es nicht umsonst und außerdem gibt es Fördermittel, die eine Turnaround-Beratung bis zu 50 Prozent übernehmen.

Was kann ich machen, damit ich gar nicht erst in so eine existenzielle Krise rutsche?

Bettina Schwarz: Indem ich von Anfang an professionelle Hilfe in Anspruch nehme und mir einen Berater bereits vor der Gründung bis zum Aufbau und Festigung des Unternehmens hinzuziehe. Diese Beratung ist zum Beispiel über das Förderprogramm KfW-Gründercoaching Deutschland in Höhe von 50 bis 70 Prozent förderfähig.

Mit unangenehmen Fragen auseinandersetzen

Dazu gehört, dass man sich auch mit den unangenehmen Fragen auseinandersetzt und nicht über den Daumen gepeilt kalkuliert, sondern exakt und mit System. Die Planzahlen aus dem Businessplan sollten dann regelmäßig mit den Ist-Zahlen verglichen werden und ggf. auch die Planung angepasst werden an die neuen Gegebenheiten.

Unterstützung bis fünf Jahre nach der Gründung

Ein weiterer Punkt: Viele Existenzgründer denken, dass ihnen nur vor der Gründung ein Unternehmensberater helfen kann. Aber man kann bis zu fünf Jahre nach der Gründung unterstützt werden. Bei vielen Gründern läuft das Geschäft mittelmäßig. Es spricht ja nichts dagegen, dass man in dieser Situation seine Firma weiter am Markt stabilisiert.

So bekommt man in schlechten Zeiten nicht sofort finanzielle Probleme. Es dauert eben mehrere Jahre, bis man ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut hat. Und gute Unternehmer justieren ständig nach.

Vielen Dank für das Gespräch!