Unternehmensnachfolge: Wenn die Emotionen hochkochen

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Emotionen sind der wichtigste Faktor im Nachfolgeprozess. Meist haben sich die Betroffenen am wenigsten darauf vorbereitet.

Anna Lisa Selter, stellvertretende Leitung der Fachgruppe Unternehmensnachfolge im Verband „Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e.V.“ und Inhaberin der Nachfolgeberatung „Die nächsten hundert Jahre“ in Düsseldorf, beantwortet Fragen über ein unterschätztes Thema:

Frau Selter, welche Rolle spielen Emotionen bei der Unternehmensnachfolge?

Anna Lisa Selter: Meiner Erfahrung nach sind Emotionen der wichtigste Faktor im Nachfolgeprozess. Das gilt insbesondere bei einer angestrebten Regelung innerhalb der Familie. Zugleich ist es der Faktor, auf den sich die Betroffenen am wenigsten, ja meist überhaupt nicht, vorbereitet haben.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Selter: Es werden im Vorfeld lediglich die Sach-Aspekte berücksichtigt. Steuerlich und rechtlich sind die Beteiligten meist schon vorbereitet. Die Gefühlsebene wird, aus welchen Gründen auch immer, ausgeblendet. Doch wenn dann der eigentliche Prozess beginnt, in dem zwangsläufig auch diskutiert und verhandelt werden muss, geht es plötzlich zur Sache.

Wahrscheinlich immer dann, wenn’s ums Geld geht, oder?

Selter: Interessanterweise ist die Höhe des Kaufpreises mitnichten immer der Grund für Enttäuschung, Wut und andere starke Gefühle. Nicht selten liegt es auch an einer unklaren Rollenverteilung. Aber natürlich ist Geld ein Trigger für Emotionen. Übrigens kommt es immer wieder vor, dass die Generation, die übernehmen soll, gar nicht damit gerechnet hat, dafür Geld auf den Tisch legen zu müssen.

Wie kann das passieren?

Selter: Schlichtweg durch mangelnde Kommunikation in den Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten zuvor. Ein typisches Beispiel: Der Sohn ist wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass ihm die Firma geschenkt bzw. vererbt wird. Wenn aber die Eltern nahezu ihr gesamtes Geld ins Unternehmen gesteckt haben und es nun zur Finanzierung des Ruhestands benötigen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als gewisse Forderungen zu stellen. Und so sieht sich der Sohn aus heiterem Himmel mit der Situation konfrontiert, einen nicht unbeträchtlichen Kredit aufnehmen zu müssen. In diesen Situationen braucht es Vermittlung.

Wirkt ein Nachfolge-Prozess vielleicht auch wie ein Katalysator auf ohnehin schon bestehende Spannungen unter der Oberfläche?

Selter: Das kann durchaus vorkommen, aber meiner Erfahrung nach muss nicht immer schon lange die sprichwörtliche Leiche im Keller liegen, damit es kracht. Es genügen die bereits erwähnte, unklare Rollenverteilung und unausgesprochene Erwartungen gepaart mit wenig Konfliktkultur. Damit meine ich beispielsweise, dass die Beteiligten nicht reflektieren, wer gerade mit wem diskutiert: das Kind mit dem Vater oder der Nachfolger mit dem Noch-Eigner? Besonders heikel wird’s, wenn die Rollen über Kreuz gehen.

Man muss also zwischen diesen Rollen switchen können und das Private vom Geschäftlichen strikt trennen?

Selter: Nicht strikt trennen, aber sich darüber bewusst sein, dass es diese Rollen gibt. Das ist der Idealfall, der aber ohne externe Hilfe kaum gelingt. Sie brauchen einen neutralen Coach, oder eine Moderation, die sich mit Nachfolgen auskennt, das Ganze systemisch betrachtet und den Fokus auf Erklärungen und Lösungen lenkt – weg von Streit und Vorwürfen.

Bei einer familieninternen Nachfolge dreht sich alles um das Epizentrum der Existenz – Familie, Unternehmen, Beziehungen -, was eine Maximalreibung ergibt. Im schlimmsten Fall kann das Familien für immer auseinander reißen.

Weniger dramatisch, aber noch immer ärgerlich: Durch ungebremste Emotionen verlängert sich der Nachfolgeprozess beträchtlich. Eine professionelle Beratung und Begleitung kann das verhindern. Sie sollte so selbstverständlich sein, wie das Hinzuziehen eines Steuerberaters.